Erasmus+, ein Interview mit Frau Veggian

Bei Erasmus+ geht es nicht um einen klassischen Schüleraustausch. Mehrere Partnerschulen arbeiten über den Zeitraum von zwei Jahren an einem gemeinsamen Projekt und leisten damit einen entscheidenden Beitrag zur Zukunft Europas. Frau Veggian hat einen sehr umfangreichen Antrag nach Brüssel geschickt, der nach einer langen Begutachtungszeit nun mit der Summe von 125.000 Euro für fünf Partnerschulen gefördert wird. Im Rahmen dieses Projekts arbeiten wir, das Erasmus+ Team, mit unseren Partnerschulen in Metković (Kroatien), Firenze/Florenz (Italien), Göteborg (Schweden) und Bourges (Frankreich) eng zusammen an der Fragestellung, welche Bedeutung traditionelle Berufe in unserer heutigen digitalisierten Welt haben. Weiter erarbeiten wir Konzepte im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Europa und den zunehmenden Fachkräftemangel in unseren Betrieben und Unternehmen. Unser Ergebnis wird am Ende der Projektlaufzeit in Brüssel im Europaparlament präsentiert.

Wir haben Frau Veggian für euch interviewt.

Was hat Sie dazu gebracht, eine Bewerbung für Erasmus+ zu schreiben?
Europa ist für viele Menschen ein undurchsichtiges Konstrukt von Verwaltung und Bürokratie. Ich wollte, dass unsere Schüler die Möglichkeit haben, Europa wirklich zu leben. Dabei sollen alle Schüler die Chance bekommen, in Europa zu reisen und Freundschaften zu knüpfen und nicht nur diejenigen, die es sich leisten können. Deswegen habe ich die Förderung beantragt.

Gab es manchmal Momente, in denen Sie dachten, dass sie es nicht mehr schaffen, die Bewerbung rechtzeitig fertig zu schreiben bzw. die Arbeit Ihnen zu viel werden könnte?
Sicher, es ist kein Spaziergang so einen umfassenden Antrag neben einer vollen Stelle mit sehr viel Korrekturen zu schreiben. Das kostet Energie, Zeit und Kraft und man hat so gut wie kein Wochenende mehr. Aber ich hatte keine Angst, den Antrag fertig zu stellen, weil wir nicht nur ein gutes Team innerhalb der Schule sind, sondern auch unsere Partner sehr effektiv arbeiten und an das gemeinsame Projekt glauben. Aber es gehört viel Idealismus dazu. Den haben wir alle.

Was war beim Antrag schreiben für Sie am schwierigsten?
Es ist einfach sehr viel Bürokratie und man muss sich sehr präzise ausdrücken. Das bedeutet, dass man jeden Satz immer wieder neu durchdenken muss und die Logik eines solchen Antrags überprüfen muss.

Was dachten Sie als allererstes, als sie Bescheid bekamen, dass der Antrag angenommen wurde?
Ich konnte es nicht so wirklich glauben, habe laut gebrüllt, bin wie ein krankes Huhn durch die Wohnung gesprungen und habe dann sofort die Schulleitung und das Team kontaktiert.

Hatten Sie schon mal einen Zeitpunkt, an dem Sie gar keine Lust mehr hatten?
Ja klar, wenn ich wieder tausend Formulare ausfüllen muss. Aber das ist bei einem Großprojekt normal und sollte uns nicht abhalten, Anträge zu stellen. Denn die EU hat viele Mittel, die für schulische Begegnungen abzugreifen sind.

Was denken Sie von Ihren Erasmus+-Kolleginnen und -Kollegen?
Ein sehr kompetentes, enthusiastisches und idealistisches Team, auf das man sich verlassen kann, sowohl bei uns als auch in den Partnerländern. Ihr habt sie ja in Kroatien selbst kennen gelernt.

Was möchten Sie mit dem Projekt erreichen?
Das ist eine sehr komplexe Frage. Es gibt ganz viele wichtige Zielformulierungen. Besonders wichtig erscheint mir, dass ihr als Schüler Europa kennenlernt und lebt, dass Freundschaften entstehen, die Euch für Euer Leben erhalten bleiben. Dann verbessert ihr sicherlich eure Fremdsprachenkompetenz, weil wir mehrsprachig unterwegs sind.

Ich verspreche mir ein umfassendes Networking mit Unternehmen in Europa, was man an den zahlreichen Sponsoren des Projekts sieht. Das Projekt läuft super erfolgreich. Dadurch werden für unsere Schüler Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten geschaffen. Wir arbeiten z.B. eng mit der Bundesagentur für Arbeit zusammen, aber auch mit weltweit agierenden Konzernen. Das ist für unsere Schule ein enormer Vorteil.

Schüler erkennen durch das Projekt, dass es verschiedene Wege der Ausbildung gibt, die wertvoll sind. Das ist für ein Gymnasium ein sehr innovativer Ansatz, dass wir die Vielfalt aufzeigen. Das tun unsere Kollegen aus der Berufsberatung übrigens seit Jahren mit großem Erfolg. Es entsteht ein sehr guter Synergieeffekt zwischen den zahlreichen Projekten unserer Schule, die super laufen.

Ich möchte aber auch etwas für die Jugendlichen in anderen Ländern tun. Ihnen sollen ebenso Ausbildungsmöglichkeiten eröffnet werden. Ihr habt ja gesehen, was in Kroatien los ist. Denk mal an die engagierten Schüler, die selbst einen 3D-Drucker gebaut haben. Die kämpfen um 135 Euro Material für den Drucker. Da können wir hier nicht zusehen. Die Jugend ist die Zukunft Europas und dafür müssen wir gemeinsam kämpfen.

Welche Vorteile gibt es für die teilnehmenden Schüler:innen?
Es ist sicher sehr viel Arbeit neben der Schule, aber ihr entwickelt Kompetenzen, die sonst schwerer erlernbar sind: Wie präsentiere ich Ergebnisse für Unternehmen in mehreren Sprachen? Wie suche ich Sponsoren? Wie funktioniert Geocaching? Wie arbeite ich im Team über mehrere Jahre erfolgreich? Wie ist das Leben in einer Gastfamilie in Kroatien oder Schweden, Italien oder Frankreich? Ihr könnt Eure Fremdsprachenkompetenz in unseren regelmäßigen Skype-Konferenzen nutzen. Ich könnte Dir noch so viel aufzählen. Einfach mitmachen und selbst herausfinden. Eure Leser sollen Euch Erasmusler mal dazu befragen. Dann haben sie gleich sehr viel Motivation, mitzumachen.

Wie viele Schüler:innen haben sich für Erasmus+ beworben?
Viele, vor allem in der Jahrgangsstufe 8. Ich hätte es super gefunden, wenn noch mehr aus der 9 und EF dabei gewesen wären. Nächstes Mal.

Worauf freuen Sie sich in den zwei Jahren am meisten?
…auf die Zusammenarbeit mit motivierten Kollegen und Schülern, auf das Reisen, etwas Sinnvolles für unsere tolle Schule machen zu können. Ich finde unsere Schule super – das sage ich immer wieder, weil ich es genauso meine. Wir haben hier ganz viele tolle Menschen mit super Projekten.

Was fanden Sie auf der Reise nach Kroatien am besten?
Die tägliche Freude und Motivation in euren Augen, eure Sponsoring „Aktionen“ in Split und Dubrovnik (ich hätte mich das in Eurem Alter nie getraut, obwohl ich selbst viel gesungen habe), die Challenge in Dubrovnik mit allen Partnerschülern, das Gebet von 4 Moscheen gleichzeitig in Mostar, das Engagement und die Gastfreundlichkeit der Kroaten und für mich persönlich, dass ich viele Jahre nach dem Krieg, wieder den Mut hatte, das Land meines Großvaters zu besuchen und leider das Land, in dem ich meine kroatischen, bosnischen Freunde nach dem Krieg nie wieder gesehen habe… jetzt habe ich dort die Zukunft gesehen in Eurer wertvollen Arbeit.

Haben Sie etwas an der Kroatienfahrt nicht gemocht? Wenn ja was?
Den Abschied – ich hasse Abschiede total und kann niemanden weinen sehen – ich hatte zu viele Abschiede in meinem Leben.

Wie haben Sie das Verhältnis der deutschen Schüler:innen mit den anderen Schüler:innen aus den Partnerschulen wahrgenommen?
Wunderbar, wie ich es erwartet habe, ihr habt gesungen, gelacht, getanzt…. – in einem Wort oder Insider von Euch „mega-keulen-genial“. 😉

Vielen Dank für das Interview.

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